Betreutes Twittern: Elon Musk muss Tesla-Tweets weiter genehmigen lassen

Als Musk bei Lügen über Tesla erwischt wird, verpflichtet er sich, relevante Tweets vorab prüfen zu lassen. Seine nachträgliche Klage dagegen scheitert.

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Ein Smartphone zeigt Logos von Tesla, SpaceX, Neuralink, The Boring Company und Twitter; hinter dem Handy ist Elon Musk zu sehen

Elon Musk ist ein vielbeschäftigter Mann.

(Bild: kavi designs/Shutterstock.com)

Lesezeit: 6 Min.
Inhaltsverzeichnis

Elon Musk ist mit einer Klage gegen eine Prüfpflicht bestimmter öffentlicher Äußerungen über die von ihm geleitete Elektroautofirma Tesla gescheitert. Der Multimilliardär versuchte, einen von ihm selbst mit der US-Kapitalmarktbehörde SEC (Securities Exchange Commission) eingegangenen gerichtlichen Vergleich aufheben zu lassen. Doch nach dem zuständigen US-Bundesbezirksgericht kann auch das Bundesberufungsgericht dem nichts abgewinnen: Musk hat sich 2018 und erneut 2019 freiwillig dazu verpflichtet, bestimmte Aussagen über Tesla vorab von einem Tesla-Juristen überprüfen zu lassen. Daran soll er sich nun auch halten.

Ihren Ausgangspunkt nimmt die Sache im Sommer 2018: Musk behauptet per Tweet, zu erwägen, Tesla von der Börse zu nehmen und dabei für jede Aktie 420 US-Dollar zu zahlen: "Finanzierung gesichert". Es wäre das teuerste Delisting der Geschichte. Der Tweet führt zu einer kurzfristigen Kursrally der Tesla-Aktien. Tatsächlich hat Musk aber keine Finanzierung gesichert. Daher verklagt die SEC sowohl Tesla als auch Musk wegen Kapitalanlagebetrug.

Durch einen gerichtlichen Vergleich im September 2018 vermeiden Musk und Tesla Gerichtsverfahren und Urteile. Tesla zahlt 20 Millionen Dollar Strafe und führt Regeln über öffentliche, kursrelevante Äußerungen seiner Spitzenmanager ein. Musk gibt den Vorsitz in Teslas Verwaltungsrat (nicht aber den CEO-Posten) auf, zahlt ebenfalls 20 Millionen Dollar Strafe, und verpflichtet sich dazu, Teslas interne Vorschriften zu beachten (SEC v. Elon Musk, US-Bundesbezirksgericht für das südliche New York, Az. 18-cv-8865). Diese internen Regeln sehen vor, dass ein Tesla-Jurist bestimmte öffentliche Äußerungen vorab prüft.

Doch schon im Dezember des Jahres gibt Musk in einem Fernsehinterview an, sein Versprechen vorsätzlich zu brechen: Seine Tweets über Tesla würden nicht vorab auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft. Zudem demonstriert er bei der Gelegenheit seine Missachtung der SEC. Es kommt, wie es kommen muss: Im Februar 2019 behauptet er auf Twitter, Tesla werde in dem Jahr rund 500.000 Fahrzeuge bauen. Teslas Juristen wissen davon nichts; das Unternehmen Tesla selbst schätzt damals nur 400.000 Fahrzeuge (tatsächlich ausgeliefert wurden 2019 noch weniger Teslas, nämlich 367.500, Anmerkung).

Dieser Bruch der Selbstverpflichtung bringt Musk eine SEC-Klage wegen Missachtung des Gerichts ein. Missachtung des Gerichts wird in den USA als ernstes Vergehen betrachtet. Erschwerend kommen seine öffentliche Ankündigung und Missachtung der Behörde hinzu. Doch Tesla und Musk kommen billig davon: Ein weiterer gerichtlicher Vergleich Teslas und Musks mit der SEC schränkt die Prüfpflicht auf weniger Themen ein:

  • Wenn sie Teslas Finanzlage oder eine Prognose dazu betreffen oder wenn es um mögliche beziehungsweise anstehende Aufkäufe, Zusammenschlüsse oder Joint Ventures geht;
  • Wenn er Produktions-, Verkaufs- oder Auslieferungszahlen nennt, seien sie real, geplant oder vorhergesagt, oder wenn die Zahlen zuvor noch nicht im Geschäftsbericht aufgetaucht sind;
  • Wenn es neue oder geplante Geschäftssparten betrifft, die nicht in Beziehung zu den derzeitigen Sparten stehen (aktuell Fahrzeuge, Transport und Produkte aus dem Bereich erneuerbarer Energie);
  • Wenn es Wertpapiere des Unternehmens betrifft (inklusive Elon Musks Aktienhandel).

Zusätzlich darf Musk sich nicht ohne Rücksprache äußern, wenn es um rechtliche oder regulatorische Feststellungen oder Entscheidungen zu Tesla geht, die nicht-öffentlich sind. Zu guter Letzt muss er sich eine Genehmigung holen, wenn er über meldepflichtige Änderungen in der Führungsebene des Unternehmens sprechen möchte.

Doch im November fragt Musk seine Twitter-Follower, ob er zehn Prozent seiner Tesla-Aktien verkaufen solle. Das löst einen Kursrutsch aus, und eine nicht-öffentliche Untersuchung durch die SEC. Hat Musk das vorab seinem Juristen gezeigt? Musk will die Fragen der SEC aber nicht beantworten und beantragt bei Gericht, die Fragen der SEC für unwirksam zu erklären und seine 2019 modifizierte Selbstverpflichtungen aufzuheben oder abzuändern: Die Umständen hätten sich geändert, er habe nur aus Angst vor einem Bankrott Teslas unterschrieben, und überhaupt wäre die Vereinbarung eine Einschränkung seiner verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechte, speziell auf Freie Meinungsäußerung. Außerdem würde die SEC ihn mit zahllosen Untersuchungen schikanieren.

Das Bundesbezirksgericht lehnt im April 2022 alle Anträge Musks ab und begründet das ausführlich. Musk habe bestimmte verfassungsmäßige Rechte bewusst aufgegeben. Die Untersuchungen der SEC seien keineswegs zahllos, sondern es sei die allererste Untersuchung der SEC seit dem modifizierten Vergleich, die dritte insgesamt. Und Musks angebliche Angst vor einem Bankrott Teslas sei sowohl unglaubwürdig als auch belanglos: Musk hat sich freiwillig für den Vergleich und gegen ein Gerichtsverfahren entschieden.

Musk beruft und verliert erneut: Diesmal fasst sich das Gericht in einer Summary Order kurz, weil es keine Rechtsfragen von Bedeutung sieht (SEC v. Elon Musk, Bundesberufungsgericht für den zweiten Bundesgerichtsbezirk, Az. 22-1291). Die drei Berufungsrichter entscheiden einstimmig: Musk hat sich in dem Vergleich dazu verpflichtet, der SEC interne Unterlagen auszufolgen, daher könne er nicht behaupten, von den Fragen der SEC überrascht zu sein. Es gäbe keine Hinweise auf schikanöse SEC-Verfahren, vielmehr habe sie nur offenbar rechtswidrige Tweets untersucht. Den Vergleich beizubehalten liege zudem im öffentlichen Interesse.

Es sei Grundlage von Vergleichsvereinbarungen, dass die Parteien bestimmte Rechte aufgeben. Musk habe die Wahl gehabt, diesen Vergleich zu akzeptieren, einen anderen Vergleich auszuverhandeln oder vor Gericht um seine Rechte zu kämpfen. Musks Behauptung, die Prüfpflicht sei rechtlich gar nicht durchsetzbar, prüft das Berufungsgericht nicht, weil der Mann dieses Argument vor dem Bundesbezirksgericht nicht erhoben hat.

Doch Musk will nicht aufgeben. Sein Anwalt hat sowohl weitere PR-Maßnahmen als auch weitere rechtliche Schritte in Aussicht gestellt. Juristisch kann er um neuerliche Überprüfung durch eine erweitere Richterbank des selben Berufungsgerichts bitten; führt das nicht zu Erfolg, kann er den Supreme Court um Überprüfung ersuchen. Beiden Ersuchen treten die Gerichte nur selten näher.

(ds)