Experten über Gesundheitsdaten: Nur die größten Konzerne profitieren​

Der Umgang mit Gesundheitsdaten von Milliarden Menschen soll nicht von​ einigen wenigen Konzernen bestimmt werden. Experten sehen​ Deutschland in der Pflicht.​

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 2 Kommentare lesen
Business-Team arbeitet mit künstlicher Intelligenz am Computer. Eher eine abstrakte Darstellung.

(Bild: Vasin Lee/Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Christiane Schulzki-Haddouti
Inhaltsverzeichnis

Deutschland soll weltweit eine Vorbildrolle im Umgang mit Gesundheitsdaten einnehmen, fordern internationale Gesundheits- und Bürgerrechtsexperten anlässlich des heute in Berlin stattfindenden World Health Summit. Dazu stellen sie in einem "Policy Brief" Empfehlungen vor, die vom Global Health Hub Germany und der Initiative Healthy DEvelopments im Rahmen eines Impulsdialogs erarbeitet wurden.

Die Experten weisen auf das prekäre Machtgefälle zwischen Nord und Süd hin: Entwicklungshilfeorganisationen aus dem Globalen Norden und ihren Partnern im Globalen Süden könnten unterschiedlicher Ansicht darüber sein, wer über Gesundheitsdaten verfüge und sie kontrolliere. Es sei nicht ungewöhnlich, dass hier besondere digitale Gesundheitsanwendungen in Ländern mit niedrigem Einkommen eingebracht werden, die nur schwer "Nein" sagen oder Alternativen fordern könnten.

Dr. Frances Baaba da-Costa Vroom von der Pan African Health Informatics Association fordert eine bessere Aufklärung, damit Menschen verstehen, wie ihre Daten genutzt werden. Deutschland förderte beispielsweise die Einführung des Pandemie-Monitoring-Tools SORMAS in Ghana. Damit werden nationale Daten von einem ausländischen Unternehmen gehostet und verwaltet. Dabei hatte Ghana mit seinem District Health Information Management System (DHIMS) II bereits eine Lösung, die auf der international entwickelten Open-Source-Software DHIS2 basierte, die in fast allen afrikanischen Ländern eingesetzt wird. Den lokalen Behörden, meinen Experten, sei nicht bewusst gewesen, dass mit der Entscheidung für SORMAS eine unzureichende Gesundheitsdaten-Governance verbunden war.

"Viele Innovationen werden ohne Berücksichtigung eines Rechte-basierten Ansatzes eingeführt", sagt Alexandrine Pirlot de Corbion von der britischen Bürgerrechtsorganisation Privacy International. Aktuell werden Gesundheitsdaten in verschiedenen Regionen widersprüchlich geregelt, wobei rechtliche Bestimmungen nicht rechtzeitig aktualisiert werden. Daher sind etwa wichtige Fragen um die Erzeugung und Nutzung von Gesundheitsdaten durch KI nicht geregelt. KI gilt als Treiber des rasanten digitalen Wandels im Gesundheitswesen.

Der "Policy Brief" weist darauf hin, dass die derzeitige Fragmentierung der Governance von Gesundheitsdaten den Wettbewerb zwischen den Entwicklern digitaler Lösungen einschränke und damit einigen wenigen mächtigen Unternehmen in die Hände spiele. Denn nur die finanziell am besten ausgestatteten Unternehmen könnten es sich leisten, sich mit unzähligen unterschiedlichen rechtlichen und administrativen Anforderungen in verschiedenen Ländern auseinanderzusetzen. "Nicht alle Länder haben einen gesetzlichen Rahmen, der den digitalen Wandel steuert, ohne die Menschenrechte, die Privatsphäre, die Gerechtigkeit und die Transparenz zu gefährden", erklärt Christoph Benn, Präsident von Transform Health und Vorsitzender von "The International Digital Health and AI Research Collaborative I-DAIR".

Google, Amazon oder Microsoft hätten Zugang zu den Gesundheitsdaten von Milliarden von Menschen. Benn: "Obwohl diese Unternehmen keine Gesundheitsorganisationen sind, investieren sie in KI für die Gesundheit, angetrieben von sehr, sehr mächtigen kommerziellen Interessen." Christian Mühlen, ehemaliger globaler Leiter der Rechtsabteilung des Telemedizin-Anbieters Kry International weist darauf hin, dass ein gemeinsamer normativer Rahmen und eine Standardisierung einen Wettbewerb mit kleinen Unternehmen und Organisationen ermögliche und letztlich die Qualität stärke.

Deutschland habe sich bereits im Rahmen der Vereinten Nationen und des Menschenrechtsrats stark für Datenschutz eingesetzt, sagt Alexandrine Pirlot de Corbion von der britischen Bürgerrechtsorganisation Privacy International. Daher empfehlen die Experten einen stärkeren rechtebasierten Ansatz bei der Nutzung von Gesundheitsdaten. Dazu solle Deutschland seinen Partnerländern technische und finanzielle Unterstützung anbieten, um ihre eigenen Datenschutzregelungen zu stärken. Das solle in Zusammenarbeit mit lokalen Parlamentariern und zivilgesellschaftlichen Gruppen erfolgen.

Überdies solle Deutschland mit staatlichen Stellen wie auch zivilgesellschaftlichen Gruppen zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass Datenschutzregeln vor Ort umgesetzt werden. Der Policy Brief basiert auf einem Impulsdialog mit Einzelinterviews und einer digitalen Debatte mit Akteuren der Entwicklungshilfe, der Wissenschaft und privaten Unternehmen. Healthy DEvelopments ist eine Initiative des Bundesentwicklungsministeriums (BMZ), der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und der KfW Entwicklungsbank. Der Global Health Hub Germany ist ein unabhängiges Netzwerk, das sich die Förderung informierter politischer Entscheidungen und den Schutz von Gesundheitsdaten zum Ziel gesetzt hat.

(mack)