heise meets … Fachkräftemangel – der Quiet Potential Loss ist vermeidbar!

Potenzialverlust statt Fachkräftemangel: 40% der Angestellten sind eher unterfordert sagt Jobvermittler Philipp Riedel. Unternehmer brauchen andere Schwerpunkte

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 5 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Michael Praschma

Da, wo Fachkräfte rar sind, ist es für Betriebe überlebenswichtig, die vorhandenen Beschäftigten optimal einzusetzen und das Möglichste zu tun, um die Bindung an das Unternehmen zu fördern. Binsenweisheit? Nein, hat einer herausgefunden, der jährlich für rund 3000 Karrieren neue Wege bahnt und mit groß angelegten Umfragen die Jobszene durchleuchtet.

Eins der überraschenden Erfahrungen von Philipp Riedel, CEO der Jobvermittlung Avantgarde Experts: Berufliche Überforderung gibt es, ja. Doch gut 40 % der Befragten geben an, eher unter- als überfordert zu sein. Das ist deswegen dramatisch, weil auch dadurch die Arbeitsmotivation drastisch nachlassen kann – mit der Folge, dass gerade Young Professionals zu einem anderen Unternehmen wechseln. Der Arbeitsmarkt erlaubt das ja.

Bei Personalengpässen neigen Führungskräfte dazu, auf verstärktes Recruiting zu setzen – oft erfolglos, denn sie sind nicht die Einzigen, die im Teich der Fachkräfte fischen. Die Alternative lässt sich mit einer exemplarischen Überlegung skizzieren: Statt vier zusätzliche Kräfte für ein Team von zehn Beschäftigten zu suchen, kann ich das (wahrscheinlich erhebliche) ungenutzte Potenzial im Team entdecken und einsetzen. Damit erhöht sich die Kapazität, aber auch die Motivation.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier ein externer Podcast (Podigee GmbH) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Podigee GmbH) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Voraussetzung dafür ist ein HRM, also eine Personalpolitik, die sich nicht darauf beschränkt, die routinemäßigen Mitarbeiterbesprechungen mit Zielvereinbarungen etc. durchzuführen. Führungskräfte müssen vielmehr engmaschig, z. B. wöchentlich, im Kontakt mit den Beschäftigten immer wieder eruieren: Wie läuft die Arbeit? Bist du richtig eingesetzt? Ist es zu viel oder zu wenig? – Bis hin zu vielleicht eigentlich privaten Dingen wie Work-Life-Balance, Lebensplanung usw.; informell, aber sinnvollerweise auch dokumentiert.

Der damit verbundene Aufwand ist erheblich, räumt Riedel ein. Allerdings wird die Mehrarbeit auf der Führungsebene im Fall eines Jobwechsels wegen mangelnder Arbeitszufriedenheit eher noch größer sein. Eine gute Voraussetzung dafür, dem Quiet Potential Loss vorzubeugen, sind Teams, die so divers organisiert sind, dass die Übernahme anderer Aufgaben von vornherein nicht an Zuständigkeitsfragen scheitert. Mit der entsprechend transparenten Kommunikation, z. B. Austausch in Foren, lässt sich so die ganze Team-Motivation steigern.

Eine derart gestaltete Mitarbeiterentwicklung geht so weit, dass Unternehmen nicht nur von einem internen Job-Hopping profitieren können, sondern Fachkräfte sogar dabei konstruktiv begleiten, den Job zu wechseln. Ein solcher Umgang kann dazu führen, dass diese Fachkräfte später, um wertvolle externe Erfahrungen reicher, wieder ins Unternehmen zurückkehren. Sie fühlen sich wertgeschätzt, gefördert und auch in ihren Softskills unterstützt.

heise meets... Der Entscheider-Podcast

heise meets.... Der Entscheider-Talk – von Entscheidern für Entscheider – immer aktuell und nah am Geschehen. Sie können uns auf allen Podcast Kanälen hören. Wählen Sie Ihren Kanal aus.

Letzteres ist auch deswegen für das Unternehmen selbst von Vorteil, weil sich Jobrollen immer rascher verändern, so dass die mitgebrachten „harten“ Qualifikationen nicht mehr allein ausschlaggebend für den Wert eines Beschäftigten sind. Das zusammen mit einer Arbeitskultur, in der vor allem die Young Professionals zunehmend Wert darauf legen, dass der Arbeitsplatz auch quasi eine soziale Begegnungsstätte für sie ist, beugt jedenfalls dem Quiet Potential Loss vor. Aber auch bei Stellenausschreibungen sollten Unternehmen den Aspekt einer solchen „kulturellen Passung“ unterstreichen, empfiehlt Riedel – ohne dabei auf verbindliche Leitplanken für erwünschtes Mitarbeiterverhalten zu verzichten.

(sege)