Kernfusion mit Bor und Protonen in Stellarator gelungen

Seite 2: "Entspricht einer Temperatur von 1,7 Milliarden Grad"

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Die Protonen-Bor-Fusion ist zwar experimentell bereits gezeigt worden, allerdings bisher nur mit Teilchenstrahlen, die auf Targets geschossen werden, oder mithilfe extrem starker, kurzer Laserpulse – ein Plan, den beispielsweise das deutsche Start-up Marvel Fusion verfolgt. In einem magnetisch eingeschlossenen Plasma dagegen war diese Fusionsreaktion bisher noch nicht beobachtet worden.

Das Large Helical Device (LHD) des NIFS – ein Fusionsreaktor nach dem Stellarator-Prinzip wie der Wendelstein-7x in Greifswald – ist mit zwei Teilchenstrahlen-Injektoren mit je 160 Kilovolt (kV) Beschleunigungsspannung ausgerüstet. "Das entspricht etwa einer Temperatur von 1,7 Milliarden Grad", sagt Binderbauer. "Aber genau genommen haben wir hier nicht eine Temperatur, sondern eine Temperaturverteilung." Am "fernen Ende" dieser Verteilung gibt es einige Teilchen, die genug Energie haben, um eine Fusionsreaktion auszulösen. Alles, was fehlte, war ein Detektor für die Alpha-Teilchen, der von TAE entwickelt wurde.

"Dann haben wir unsere Leute mit dem Detektor nach Japan geschickt, aber die durften wegen Covid nicht einreisen", sagt Binderbauer. "Wir mussten die Zusammenarbeit dann im Wesentlichen über Zoom erledigen", sagt er. "Nichts, das wir uns gewünscht hätten, aber letztendlich hat es geklappt". Zwar war von Anfang an klar, dass in diesem Reaktor keine sich selbst erhaltende Fusionsreaktion erzeugt werden kann – dazu waren die Magnetfelder nicht stark und die Temperaturen nicht hoch genug. Außerdem sind die Strahlungsverluste in dieser Konfiguration hoch. Aber das Experiment liefert "eine Fülle von Daten, mit denen wir arbeiten können, und zeigt, dass Wasserstoff-Bor einen Platz in der kommerziellen Fusionsenergie hat".

Derzeit baut und konstruiert TAE zwei weitere Anlagen, Copernicus und Da Vinci, in denen Plasma mit höherer Temperatur als bisher erzeugt werden soll. Die nächste Generation, Copernicus, soll die Partikelstrahlen mit 100 kV beschleunigen und könnte damit erstmals ein Deuterium-Tritium-Plasma zünden. Eigentlich sollte die Maschine längst fertig sein, aber Covid hat die Entwicklung ausgebremst.

Die Copernicus-Maschine soll in rund zwei Jahren fertig sein, wird dann aber erst langsam hochlaufen, weil die Kontrolle des Plasmas unter anderem mithilfe von maschinellem Lernen optimiert ist. "Unsere bisherigen Erfahrungen haben gezeigt, dass man mit solch einer Maschine nicht aus dem Stand auf volle Leistung kommt", so Binderbauer.

Da Vinci soll dann "um 2030" zeigen, dass die Proton-Bor-Fusion von TAE wirklich funktioniert. Ob das gelingt? "Fusionsforschung spielt sich immer an den extremen Rändern des Parameterraumes ab", sagt Binderbauer. "Das ist das aufregende daran. Es ist ein bisschen wie die Mond-Mission der NASA damals. Technisch so herausfordernd, dass es jede Menge Innovationen hervorbringen wird."

(wst)